Hans Graf Gartenbau 3065 Bolligen

Die Gartenkunst Norditaliens

Einführung in die Geschichte der norditalienischen Gärten

Bei Jakob Burckhardt lesen wir: Die Italiener sind die frühesten unter den Modernen, welche die Gestalt der Landschaft als etwas mehr oder weniger Schönes wahrgenommen haben. Es ist eine wahre Sammlerwut, welche die Italiener im 14. Und 15. Jh. überfällt, ganz im Sinne des sich entwickelnden Humanismus und der um sich greifenden Naturwissenschaft. Ein bedeutsamer Wink für die allgemeine Verbreitung des naturgeschichtlichen Interesses liegt in dem früh geäusserten Sammelsinn, der vergleichenden Betrachtung von Pflanzen und Tiere. Italien rühmt sich zunächst der frühesten botanischen Gärten, doch mag hier der praktische Zweck überwogen haben und selbst die Prioritäten streitig sein. Ungleich wichtiger ist es, dass Fürsten und reiche Privatleute bei der Anlage von Lustgärten von selbst auf das Sammeln möglichst vieler verschiedener Pflanzen gerieten. So wird uns im 15.Jh. der prächtige Garten der mediceischen Villa Careggi beinahe wie ein botanischer Garten geschildert. Beispielsweise zu Beginn des 16. Jh. eine Villa des Kardinals Triulzio in der römischen Campagna, mit Hecken von verschiedenen Rosengattungen, mit Bäumen aller Art, worunter die Fruchtbäume in allen möglichen Varietäten; endlich zwanzig Rebengattungen und ein grosser Küchengarten. ...Neben einer höchst verfeinerten Kultur des Tafelobstes zeigt sich ein Interesse für die Pflanze als solche, um ihres merkwürdigen Anblickes willen. Insofern sind die vielen Gärten mit ihren Pflanzen- und auch Tiersammlungen (Pallavicini, Isola Madre, Taranto uvm.) nicht eine Erscheinung der Neuzeit, sondern haben eine weit zurück reichende Tradition.

Natürlich sind es auch die literarischen Vorbilder und Beschreibungen, welche die Italiener auf den Geschmack bringen. Die Idee der Renaissance verbreitet sich im 14. Und vor allem im 15. Jh. vom nördlichen Italien über die Stadtherrschaften Venedig, Verona, Mailand, Florenz etc. mit ihren talentierten und kühl berechnenden Fürsten bis nach Rom.

Zunächst war die italienische Gartenkunst vom Willen getragen, innerhalb der Natur und mit der Natur zu bauen. Sodann kam der Gedanke dazu, das Wesen und die Gesetze der Natur im Garten darzustellen. Der Garten wurde nun als Erlebnisraum angesehen, dem eine umfassende Harmonie innewohnen und der den Betrachter erstaunen lassen sollte. All dies entsprang der Inszenierung eines Programmes, das in der Gestaltung der Natur Form annahm. Es beflügelte die Vorstellungskraft und regte die Phantasie an.

Die norditalienischen Gärten lassen sich grob in vier Gruppen einteilen.

1. Die norditalienischen Renaissance-Gärten; das 16. Jh

2. Die Gärten des Barock und des Rokoko

3. die Anlagen, die unter dem Einfluss des englischen Landschaftsgarten und besonders in der Lombardei und im Piemont unter aufklärerisch-napoleonischem Geist entstanden sind

4. die grossen Pflanzengärten und Sammlungen aus der Jahrhundertwende bis in die Mitte des 20. Jh

1. Die Renaissace- und Spätrenaissance-Gärten

Zunächst stellt sich die Frage nach dem Verbleib der ursprünglichen aus dem 15. Und 16. Jh. stammenden Gärten und Villen.

Wenden wir uns zunächst einem Gartenbereich zu, der in dieser Epoche entstanden ist und dessen Spuren mannigfaltig und an vielen Orten zu entdecken sind: der Giardino segreto. Die neben diesem geschützten Raum verbliebenen Flächen wurden im Laufe der künstlerischen Entwickung des Gartens vielfältig umgewandelt und umgenutzt. War der giardino segreto früher der einzige Bereich, welcher vornehmlich der Beschaulichkeit und Kontemplation gewidmet war, dienten die anderen Flächen, wenn auch zumeist hübsch gegliedert und gestaltet, zumeist der Nahrungsmittelproduktion und in kleinerem Umfange auch der Sammlung von Pflanzen und Tieren (Menagerien) oder auch der Jagd. Zum ‚Giardino Segreto' wird der Garten in dem Augenblick, wo er das Attribut des Versteckten und Verborgenen beinhaltet. In der späteren Entwicklung des Garten Edens zeigt sich, dass sich der Garten immer mehr schliesst und zu einem verborgenen und abgeschlossenen Ort wird. Man denke sich den Garten als Raum, der aufgrund seines harmonischen Gefüges und seines mathematisch-gesetzmässigen Aufbaus bestimmt wird. Diese schliessen den metaphorischen und synekdochischen Aspekt des Gartens nicht aus. Der Garten wird zum Symbol des Göttlichen, was aber das Streben nach Verschwiegenheit und Abgeschlossenheit nicht ausschliesst, sondern es noch hervorhebt. Im Garten der Lüste, mit dem die Vulgata versucht, den Garten Eden in eine heilige und eine weltliche Abgeschiedenheit zu zerlegen, wird das ebenso dargestellt wie es im Spätmittelalter mit dem hortus conclusus gemacht wurde.

Wenn der Renaissance-Garten dem Fürsten als Bühne und Ort der intellektuellen Geselligkeit diente - und wenn man an die Symbolik denkt, die klar und deutlich im jeweiligen Programm des Gartens zu erkennen ist, so sind sie Bühne der Macht und dienen ihrer Zurschaustellung. Deshalb ist es eine logische Folge, dass diese Gärten auch einen ‚geheimen' Bereich haben, der dem Hausherrn und seiner Familie ein Stück Privatheit sichert. Diese Gestaltungsform bürgerte sich im Laufe der Zeit immer mehr ein und wurde insbesondere bei den grossen Palästen des 17. Jh. allgemein üblich. Der ‚giardino segreto' spielte aber auch schon in den früheren Renaissancegärten eine Rolle, möglicherweise auch bei der Anlage des Nymphäums der Villa Maser von Palladio.

Die Hypnerotomachia Poliphili des Francesco Colonna ist das erste Buch, das am direktesten auf die architektonische Gestaltung des Renaissancegartens eingewirkt hat. Einen ebenso starken Einfluss wie auf die Gestaltung nahm es auch auf Symbolgehalt und geistige Haltung. Man stelle sich die Struktur und die Bedeutung des Venusgartens vor, der hier bis in alle Einzelheiten beschrieben wird, der aber zugleich so durchdrungen ist von jener rätsel- und zauberhaften Weisheit, die sich jeglichen Versuchen widersetzt.

Der letzte Holzschnitt des ersten Kapitels der Hypnerotomachia zeigt den jungen Helden Poliphilo in einem Garten. Die Nymphen die sich um ihn scharen berichten ihm, dass dies das Heiligtum der Venus sei, und Venus selbst jedes Jahr zur Maifeier den schmerzlichen Ritus vom Tod des Adonis begehe. Hier in diesem Garten aller Gärten, in dem jedes Jahr zur gleichen Zeit der Urmythos der Liebe zu neuem Leben erweckt wird, kommt Poliphilo mit Polia zur Vereinigung. Der Initiationsritus spielt sich in einem Garten ab, dessen Abgeschiedenheit und Geschlossenheit noch durch die beschriebenen Treillagenwände unterstrichen werden, die das Zentrum der Anlage, den der Liebe geweihte Ort, von den umgebenden Gartenpartien abtrennen. Man muss aber sagen, dass in dem Gedanken des Gartens grundsätzlich das Prinzip der Abgeschiedenheit präsent ist, das aus der mittelalterlichen Tradition überliefert ist. Meist sind es Orte des Vergnügens, denen diese Abgeschiedenheit gewährt wird, und Orte der Liebe - sowohl der himmlischen als auch der körperlichen.

Fast alle alten Gärten besitzen heute noch einen giardino segreto, beinahe möchte man meinen, er gehöre zu den bestgehütetsten und gepflegten Schätzen der gesamten Anlage, wohingegen die weiteren Anlagen zum Teil arg vernachlässigt wurden. Die bevorzugten Langen befinden sich am Hang, der durch zum Teil kühne Terrassen- und Treppenanlagen bezwungen wird. Dabei ergeben sich reizvolle Varianten mit kühlen Grotten, Laubengängen und Statuen. Noch ist der Garten grün, Reben überwuchern die Pergolen, Gurken, Melonen und Kürbisse bedecken den Boden und Citrusfrüchte zieren anstelle der späteren Rosen die Terrassen.

Nach und nach entwickelt sich der Nutzgarten zum Ziergarten. Alvise Cornare und Giovanni Maria Falconetto entwickeln in der ersten Hälfte des 16. Jh. den neuen Garten im Veneto, angelehnt an Bramantes Belevedere in Rom und das antike Rom. In Este entsteht unter diesen zwei Persönlichkeiten eine Villa, in der es nur so sprüht von Einfällen. Voll von delikaten Früchten und perfekten Trauben, ein hübsches Theater, der Eingangsbogen, beides der Antike abgeschaut, Grotten und ein unterirdischer Verbindungsgang zur Villa dienten der Zierde dieses Gartens. Noch ist man verliebt in die Details, setzt sie liebevoll zusammen, erfreut sich an den neu oder wiedererfundenen Gartenbauten. Die grossen, klaren Linien fehlen noch ein wenig, die Stücke harren der Ordnung. Mit der Villa Garzoni in Pontecasale von Sansovino gelingt dem Florentiner einer der ersten Entwürfe, wo sich der Garten zu strukturieren beginnt. Durch die Lage in der Ebene, wie sie für das Veneto typisch ist und sich dadurch wesentlich von den florentinischen Objekten unterscheidet, erscheint die Anlage zunächst einfach. Vor der Hauptfassade entwickelt sich ein einfaches, durch Alleebäume und Statuenreihen gesäumtes Rasenparterre. Es wird eine weniger bedeutende Querachse durchschnitten, was zu den klassischen vier grossen Stücken führt, was die Italiener den giardino all'Italiana nennen. Sansovinos stets wiederkehrendes Motiv am Bau sind die Säulenordnungen nach Art ihrer Verwendung am römischen Kolosseum: Je eine Ordnung im Superposito übereinander gestellt, verbunden mit eingesetzten Arkaden, wobei die Säulen entweder gereiht oder rhythmisiert sind. Das Epochemachende an dieser Villa ist indes der Versuch, kraft eines kanonischen Motivs den Massstab für die Verhältnisse und Dekorationen der anschliessenden Bauteile, tendenziell des gesamten Baues zu setzen.

Ähnlich epochemachend wirkte die Villa dei Vescovi in Luvigliano von Alvise Cornare. Weithin sichtbar für den Reisenden, weite Sicht dem Bewohner gewährend, krönt die Villa einen hügeligen Ausläufer am Nordrand der Euganeen. Die Lage, die künstliche Form und die auffallende Farbigkeit - das warme Rotbraun im sommerlichen Grün des Weinbergs - rufen das Bild eines prachtvollen Solitärs herauf. Cornaro wählte eine römische Bogenkonstruktion mit vorgelegten Säulenordnung, wie man sie von den öffentlichen Gebäuden der Antike kannte. Die Konstruktion von Pfeilern und Bögen mit der applizierten Dorica erscheint auf der Berg- und Hangseite, wo die Treppen liegen, als offene Loggia. Sieben laufende Arkaden, deren mittlere kaum merklich weiter ist, sind einzeln von je einem Pilaster flankiert. Die Gartenanlage indes präsentiert sich hier noch sparsam und asketisch. Ein einfacher Vierungsgarten an der Bergseite erinnert an die urtümliche Form des Kreuzganges, während sich östlich ein einfacher, achsialer Rosengarten entfaltet. Als klassisches Zeichen eines Gartens aus dem 16. Jh. darf der Garten der Villa Trento da Schio in Costozza di Longare mit seiner klassischen Hanglage gelten, ein axiales Gestaltungskonzept, wie es in dieser Zeit in der Toskana entwickelt wurde. Palladio legte selten Wert auf eine adäquate Umgebung. Die Gärten zu seinen Villen entsprachen durchaus einem Nützlichkeitssinn. Der Raum für Lustgärten war beschränkt, auf einen nich allzu grossen Bereich vor der Hauptfassade reduziert, der mit Statuen, Balustraden und zumeist einer Vierung versehen wurde. Man könnte behaupten, der Garten entsprach dem Bedürfnis nach einem Aussenwohnraum und selbst die wunderhübsche Grotte in Maser war vermutlich diesem Zweck gewidmet.

Eine Ausnahme bildet der Garten der Villa Barbariga, 1669 von Andrea Barbarigo in schönster manieristischer Art angelegt. Die sanfte Hanglage, die Wasserführung, der dezentrale Sitz der Villa, aufgeprägte aber nicht dominierende Längsachse sind die charakteristischen Merkmale. Der Reichtum der Venetier zeigt sich weniger in der Grösse ihrer Villen und Gartenanlagen als vielmehr in ihrer gestalterischen Qualität.

Mit Palladio wurde eine wegweisende Villenarchitektur entwicklelt, die ihre Wurzeln in den Theorien von Alberti hat und weit in die Moderne hineinwirkt. Nicht zu vergessen sind die Gärten um Verona und Vicenza, allen voran Trissino, das aufgrund seiner Lage auf einem Sporn mit einer Abfolge von Villen und Gärten wegweisend für eine landschaftliche Entwicklung sein dürfte. Betrachtet man allerdings einen Stich aus dem ‚Codex Maggi' einer typischen Veneto-Villa aus der Mitte des 16.Jh. mit dem charakteristischen Garten wird man an französische Vorbilder erinnert. Die Anlage liegt wie üblich in der Ebene und der Garten ist umfasst von einem Laubengang, hier vermutlich gebaut und nicht als Treillage. Ein klassisches Broderieparterre mit einem Schalenbrunnen als Abschluss präsentiert sich uns. Musterbäumchen unterstützen die einfachen Formen der Broderien, worin eigentlich fast der einzige Unterschied zu einem typischen französischen Garten z.B. an der Loire besteht. Die Disposition, die Möglichkeit, den Garten von erhöhten Umgängen zu betrachten, die Symmetrie, die Abgeschlossenheit sind sehr ähnlich gehalten. Es ist kein Garten, der sich nach aussen öffnet, wie die in Florenz der Fall ist. Hier hält sich die kleine, erlesene Gesellschaft auf, das Volk bleibt draussen. Gestalterisch gesehen findet hier keine geistige Weiterentwicklung des grössenmässig beschränkten Burg- oder Klostergartens statt. Fast möchte man sagen, dass sich die Venetianer zunächst am grossen Raum erfreuten, der ihnen auf dem Lande zur Verfügung stand, wie die Fläche zu gestalten sei, das blieb einem späteren Jahrhundert vorbehalten. Die Entwicklung des Gartens fand beinahe in dem Masse statt, wie dies in der Villenarchitektur der Fall war, nur sind fast keine Anlagen mehr erhalten.

Pompeo Gerardo Molmenti vermittelt ein Bild der einstigen Pracht. Da gab es "Springbrunnen, künstliche Fischteiche, labyrinthische Laubengänge, unter Gebüsch verborgene Einsiedeleien, hohe Buchsbaumhecken, welche die Schere des Gärtners zu Vasen, Bogen, Pyramiden und hunderterlei andere Gestalten zugestutzt hatte, und an die sich schöne Marmorstatuen lehnten. Die Blumenbeete waren in regelmässige Felder geteilt, die Gänge symmetrisch und mit weissem Sand bestreut, die schnurgeraden Alleen mit Bögen von Hagebuchenbäumen überdacht, die in eine lauschige Laube ausliefen. Fast in jedem Park befand sich eine Umzäunung für seltene Tiere...." Noch fast grossartiger war die Entwicklung im 18. Jh. wobei hier leider nicht mehr sehr viele Beispiele bis in die heutigen Tage überlebt haben. Der Garten der Villa Allegri Arvedi bei Verona, Villa Barbarigo, Trissino, Villa Emo und selbstverständlich der ursprüngliche Garten der ‚la Nazionale' sind beredte Beispiele, wie sich französischer Einfluss breit gemacht hat.

2. Die Gärten des Barock und des Rokoko

Wenn das Veneto an ursprünglich in der Renaissance geprägten Gärten verhältnismässig arm ist, sind deren Spuren in der Lombardei etwas häufiger anzutreffen. Vielleicht ist es weniger das 16. Jh. als vielmehr das 17. Und 18. Jh. als in den Seenregionen der Barock Einzug hält. Eigentlicher Schwellen- oder Schlüsselgarten ist der Komplex der Isola Bella. Überhaupt sind es die Borromäer, welche an verschiedenen Orten dem Zeitgeist der franzöischen Kunstvorherrschaft trotzten und in der Tradition der Renaissance einen sozusagen selbständigen Gartentypus entwickelten. Der absolutistische Anspruch, die unbedingte Ausrichtung auf eine Zentralachse und deren Entwicklung in die Unendlichkeit ist den Italienern abhold. Einige Ausnahmen gibt es, Stupinigi in Turin, Villa Reale in Monza mögen erwähnt sein. Daneben blieb die Bestrebung, tradizionelle Baukultur weiter zu entwickeln, sich dem Zeitgeist trotzdem nicht zu verschliessen, das Barocke, Verrückte, Verspielte, aber auch Grossartige einzufangen und die Möglichkeiten der Topografie auszunützen. Die Beschränktheit der Insel führt zur Konzentration, dem Bau in die Höhe, die Pyramide, die Lage am Hang - Villa Sommi Picenardi, Villa Bozzolo, Villa Carlotta und viele andere - nützen die Gegebenheiten geschickt aus. Der Übergang von den reinen Renaissancegärten zum späteren Barockgarten ist fliessend, heute insofern praktisch nicht mehr feststellbar, da die meisten ursprünglichen Gärten im 18. Jh und häufig auch im 19. Jh. umgestaltet wurden und oft auch noch sehr spät ein Settecento-Gesicht erhielten.

Selbst Gärten, welche in der Ebene lagen, wie z.B. Castellazzo oder Belgioioso klammern sich reizvoll an die italienische Tradition.

Die Anwesenheit französischer Gärtner und Wasserbauingenieure ist bei verschiedenen Gartenanlagen in Italien nachgewiesen. In den Bibliothekten der italienischen Notabeln fanden sich die Werke der Franzosen, welche die Technik und die Kunst der Gartengestaltung beschrieben. Bereits schon nur die Grundrissgestaltung vieler Anlagen zeigt den französischen Stil und Einfluss unzweifelhaft. Darüber hinaus ist es zudem bemerkenswert, dass insbesondere die wohldurchdachte, auf geschwungene Grundrissformen angelegte Verbindung zwischen dem Wohnhaus , den Nebengebäuden und dem Garten ein Entwurfselement ist, das ganz und gar italienischen Ursprungs ist. Häufig sind diese Lösungen nach dem Geschmack des italienischen Rokoko auf die grossen Lehrmeister Borromini und Guarini zurückzuführen.

Die Terrasse wird bei den Villen des 18. Jh. zum Hauptthema. Immer neue Lösungen entstehen, und oft werden die Terrassenanlagen mit eleganten Gruppen von Statuen vervollständigt. Man denke nur an die Terrassenanlage der Villa della Rovere in Albissola von Girolamo Brusca mit ihren spiegelnden Wasserbecken entlang der Terrassenebenen, die untereinander mit Terrassenfluchten verbunden sind.

Bei der Villa Trissino verbinden die Passerellen das ‚piano nobile' mit dem nahegelegenen kleinen Hügel und rahmen zugleich den grossen, heute grasbewachsenen Innenhof ein. Um die Vielzahl der unterschiedlichen Barockgärten des 18. Jh. in Italien richtig einschätzen zu können, ist es wichtig, die Zweckbestimmung des Gebäudes, den sozialen und wirtschaftlichen Status des Bauherrn und die Grösse des verfügbaren Grundstückes im Auge zu behalten. Vergleichen wir den Garten von Sommi Picenardi mit Castellazzo entdecken wir im ersteren die grazilen, zierlichen und intimen Formen des Rokoko und des kleinen französischen Gartens finden wir in Castellazzo das Nacheifern in typisch französischer Grösse, die Ausdehnung in die Unendlichkeit und auch ein wenig das Kopieren vorgezeichneter Strukturen. In der Lombardei bauten beispielsweise Architekten wie Federico Pietrasanta neben Villen auch bedeutende Theater - eine Kombination, die für das Barocke typisch ist, gleicht doch der Garten in vielen Teilen, formal wie auch inhaltlich, einem Theater. Die Formen werden spielerisch ausgetauscht und miteinander vermischt, das Theater findet im Garten statt, wird für diesen Ort geschrieben.

Unter den zahlreichen Parks, die uns in den ‚Ville dei delizia' , dem bekannten Stichwerk Marc Antonio dal Res überliefert sind, erkannt man das Bestreben, einerseits eine Vielzahl der Blickbeziehungen herzustellen, andererseits aber bestimmte Ausblicke verschleiernd darzustellen, so dass ihre allmähliche Enthüllung ein Element der Überraschung und Dramatik einführten, wie es zu jener Zeit auch in den Theaterinszenierungen von Galliari oder Righini angewandt wurde. In diesem Sinne dienten auch Besonderheiten wie Gartentore aus filigranem Schmiedeeisen oder Säulen, die in versteckten Ecken aufgestellt waren und von lebensnahen Skulpturen gekrönt wurden, als höchst wirkungsvolle Kunstgriffe im Spiel mit den Entfernungen. In den Gärten, die zwar, was ihre Vegetation betrifft, inzwischen sehr vernachlässigt sind, wo diese Gestaltungselemente aber die Zeit überdauert haben, ist man mitunter sehr erstaunt über die Wirkung, die solche Ensembles noch ausüben. Ihre sorgfältige Plazierung ermöglicht noch heute, visuelle Räume und Perspektiven nachzuvollziehen.

Einen bedeutenden Einfluss auf die Architektur des 18. Jh. übte der Architekt Giovanni Ruggeri aus. Er schuf aussergewöhnliche Gartenausstattungen. Nach seinen Entwürfen wurden Pavillons, Springbrunnen und Freitreppen angelegt, die häufig eine Neigung zum Bizarren und Exotischen zeigten. Ganz im Geist des Rokoko wurden die Geländersäulen von asymetrischen Voluten abgelöst, die wie stilisierte Wellen gestaltet waren. Bei diesen Einfällen des italienischen Rokoko kann man eine enge Übereinstimmung mit den deutschsprachigen katholischen Ländern feststellen. Man denke zum Beispiel an den Skulpturenschmuck, den Ferdinand Tietz im Park von Seehof schuf, allerdings zu einem etwas späteren Zeitpunkt.

Kehren wir nochmals zu Muttoni zurück, dem Schöpfer der Anlage in Trissino. Der phantastische Höhepunkt der Anlage, die Exedra, durch deren vier Durchgänge man entweder auf unterschiedliche Wege oder auf eine luftige Aussichtsterrasse gelangt, war nur möglich durch die Kenntnis der Entwurfsideen Ruggeris. Um die Zielsetzung des italienischen Rokokogartens zu verstehen, ist es hilfreich, den Entwurf zur Umgestaltung dieser bekannten Gartenanlage genau zu studieren. Der Entwurf trägt die Unterschrift von Francesco Muttoni und ist wahrscheinlich 1718 entstanden, wurde jedoch nur teilweise ausgeführt. Die ,Ausblicke' wie sie auf dem Plan umschrieben werden, sind nicht auf bestimmte Punkte im Park selbst gerichtet, sondern leiten den Blick in die umgebende Landschaft. Die sechs Blickachsen des Entwurfschemas sind ziemlich frei angeordnet; wohingegen die Blickführung peinlich genau ausgearbeitet und geschickt angelegt ist: nur an sorgfältig ausgewählten Punkten wird die dichte Reihe der Zypressen, die sich wie eine kleine Schutzmauer um den Garten zieht, unterbrochen, um für Balustraden und Aussichtspunkte Platz zu machen.

Dieser Entwurf zeigt in beispielhafter Weise, wie schnell und bereitwillig die italienische Schule französische Anregungen aufnahm, ohne aber die eigene ruhmreiche Vergangenheit zu verleugnen oder das Verhältnis des Gartens zu seiner natürlichen Umgebung aus den Augen zu verlieren. Bezeichnenderweise nutzt der italienische Rokokogarten die topographischen Vorteile des Geländes und setzt perspektivische Verkürzungen, Statuen oder Wasserspiele ein, um seine Lage zu betonen.

3. Der aufklärerisch-napoleonische Landschaftsgarten

Ich gebe zu, diese Spezifikation ist gewagt und bedarf der Erläuterung. Welches sind die Beispiele, die zu dieser Interpretation führen? Isola Madre, Villa Carlotta, Melzi, La Nazionale und andere. Die Umgestaltungen bedingen oft Eingriffe in die Gartenstrukturen der Renaissance. Zumeist geht man sehr behutsam vor, lässt die wichtigen Elemente der Vergangenheit bestehen und räumt häufig nur die Flächen aus, die von den Mauern und Bauten umschlossen sind, gestaltet sie dem Zeitgeist entsprechend neu und lässt die geschwungene, elegante Form in den Garten eintreten. Die Romanik beginnt in Italien zu verweilen. Die Ideen der Engländer beginnen Fuss zu fassen, aber auch die der Aufklärung. Eines dieser modernen Werke ist der Prato della Valle in Padua, der um 1776 begonnen wurde. Es sollte Europas eindrücklichster Marktplatz werden. Es war eine durch und durch republikanische Idee, die hier entstand, als man der Landbevölkerung die Möglichkeit schuf, hier ihre Waren zu verkaufen. Wehe dem, welcher die neue Form irgendwie mit dem Einmarsch Napoleons verbindet. Und doch hat dieser seine Spuren hinterlassen. Auf der einen Seite steht die Revolutionsarchitektur, auf der anderen der sich verstärkende Drang zur Romantik. Die Leidenschaft im Piemont für die unberührte, unverschmutzte Natur, die alles daran setzte, aus einem unbedeutenden Stück Land einen lieblichen, der Mode entsprechenden Garten zu bauen, setzte sich bald auch im Veneto durch. Nicht ganz unbedeutend für diese Entwicklung war die Dissertazione su i giardini inglesi, e Sopra l'indole de i giardini moderni eines Ippolito Pindemonte und eines Luigi Mabil, die in Padua zur Diskussion gestellt wurde. Pindemonte mockiert sich darin allerdings über die kläglichen Versuche, in die kleinen Areale, die zur Verfügung standen, das ganze Englische Programm einpacken zu wollen, wobei insbesondere die Dimensionen, welche den Engländern zur Verfügung stand , kaum je berücksichtigt werden konnten. Er plädiert deshalb vehement für die italienische Tradition, das Geometrische und Regelmässige, welches den italienischen Verhältnissen angepasster wären. Er zieht die zeitgenössische Gartenkunst regelrecht in Zweifel. Napoleon und seine Entourage setzte sich in der Folge natürlich über solche Streitereien hinweg und liess grosszügige, in romantisch-englischer Manier ausgestaltete Gärten anlegen.

Ein gelungenes Beispiel dieses Zeitgeistes spiegelt sich im Garten der Villa Melzi am Comer See, wie auch anderer Gärten, die hier bis in die Mitte des 19. Jh. entstanden sind. Agnelli schreibt dabei vom kultivierten Geschmack der Besitzer und vom Einfluss einer unaustilgbaren Kulturtradition, die die Übertreibungen der Landschaftsgärtnerei im Zaume hielt, das romantische Chaos eindämmte und in einer idealen Welt voll Anmut und unerschütterlicher Ruhe einband. "Die Villenkultur", schrieb Mario Praz über den Landsitz von Melzi, "ist hier immer noch lebendig, erfüllt die Räume mit einer sanft einlullenden, intimen Atmosphäre und breitet eine Aura heiterer Seelenruhe über die Gärten". Napoleon liebte die Gärten, die romantischen Entwicklungen eines Girardets in Eremonville und einer Dézert du Réz kamen seinem Geschmack sicherlich entgegen, die sich entwickelnde Revolutionsarchitektur war im vermutlich ein Gräuel. Noch lag aber die masslos übertriebene Verniedlichung des Gartenkunstwerkes im Stile eines Anglo-Chinesischen Gartens in Frankreich in der Luft und die Italiener schafften es, diesen Fallstricken des Überfüllens eines Gartens zu entgehen.

4. Die grossen Pflanzengärten und Sammlungen aus der Jahrhundertwende bis in die Mitte des 20. Jh

Gerade in den Gegenden um die oberitalienischen Seen entwickelte sich zu Beginn des 20. Jh. eine beinahe unbändige Gartenentwicklung. Das milde Klima, die fast frostfreien Winter und ganz bestimmt auch die herrlichen landschaftlichen, mitunter dramatischen Lagen spielten eine wesentliche Rolle, dass sich hier Deutsche, Schweizer, Engländer, Franzosen und Amerikaner neben reichen und wohlhabenden Lombarden aus den aufstrebenden Industriemetropolen niederliessen und sich mit grosszügigen Gartenanlagen umgaben. Es entstanden nicht die kreativ-revolutionären Anlagen, wie sie in parallelen Kunstbereichen wie Architektur, Malerei, darstellende Kunst in dieser Zeit entstanden, sondern es entwickelten sich Gärten, wie sie dem menschlichen Massstab entsprachen. Es war ein Zurück zu den Gefühlen, zu den Sinnen, zur Kontemplation, zur Illusion. Etliche dieser Villen waren durchaus als Zweitresidenzen gedacht, andere haben schon manchen Gartensturm über sich ergehen lassen, weitere wurden aus einer momentanen Laune heraus gekauft, wie beispielsweise die Villa Taranto oder San Remigio. Bei letzterer geht die Entstehung auf den Beginn des 19. Jh. zurück, als Mr. Browne (übrigens ein Vorgänger der Brown-Boveri) mit seiner Tochter die Gegend bereiste und, da die Tochter verunfallte, sich einige Zeit in der Nähe von Pallanza aufhalten musste, die Gegend lieben lernte und sich die Tochter in das Landstück mit einer Kapelle und der wunderbaren Aussicht verliebte, es kaufte, eine kleine Villa erbauen liess und sich Generationen später - so um 1900 - sich die Nachkommen eine italienische Welt erbauten. Das Resultat ist eine faszinierende Interpretation eines romantischen Nordländers des formalen, längst überholten, aber immer noch gewaltigen italienischen Gartens. Der ganze Garten spiegelt diesen Geist: es ist eine Traumwelt, wo sich nördliche Vorstellung mit italienischer Realität und Geschichte vermischt. Die klassischen Götter fahren auf ihren Wagen um strenge Wasserbecken, die umgeben sind von romantischen Wäldern und Seerosenteiche spiegeln die in der Ferne erscheinenden Schneeberge. Weder italienisch noch nördlich spiegelt der Garten von San Remigio aber den charmanten Versuch, Geschichte wieder aufleben zu lassen.

Interessanterweise gibt es kaum Grundlagenliteratur zu diesem Zeitraum der italienischen Gartenentwicklung. Zu sehr sind die Italiener noch verliebt in die Grossartigkeit ihrer Geschichte. So ist man vielleicht einer Entwicklung, wie sie die Villa Taranto erfahren hat, mit einer gewissen Skepsis begenet, wenn da plötzlich ein Engländer auftaucht und die Anlage beinahe im englischen Stil umbaut und neu gliedert. Pflanzensammlungen sind keine neue Erfindung, das 18. und vor allem das 19. Jh. weisen beredte Zeugnisse auf. Aber nun beginnen diese Sammlungen Strukturen anzunehmen, das rein romantische tritt ein wenig in den Hintergrund und an dessen Stelle tritt das eher private. Gärten wie Taranto, San Remigio, Pallavicino, Hruska und am Garda See, Monastero und das späte Pizzo am Comer See und viele andere private Villen kümmern sich nicht mehr um den Zeitgeist, sind keiner unterschwellig vorhandenen allgemeinen Leitidee verpflichtet. Man tut, was einem gefällt, die Freiheit zieht in die Gärten ein. Und doch gelingt es fast keinem Besitzer wirklich auszubrechen aus der gewaltig nachwirkenden italienischen Kultur mit ihrer alles überragenden Renaissance und den Veränderungen, welche die Romantik mit sich gebracht hat. Wer zeigt mir den Garten, die Villa, die es mit etwas Vergleichbarem wie dem Bauhaus in Deutschland aufnehmen könnte?