Die Macht der Frauen
Englische Stauden- und Blumengärten des 20. Jh.

Zu Beginn des 20. Jh. (in der Regierungszeit verschiedener Eduard's) entstanden in England die meist von genialen Frauen gestalteten wunderbaren Staudengärten. Es wurden in ganz neuer Art in einem normalerweise formalen Grundriss Stauden- und Blumenkompositionen kreiert, welche Vorbildcharakter für alle weiteren Gärten hatten. Es wurde der Grundstein zu einer neuen Kunst gelegt. Es ist die Geburtsstunde der Stauden, die fortan unverzichtbares Element in fast allen Gärten Englands sind.
Wir wollen uns verführen lassen von den Gärten in Sissinghurst, Hidcote, Tintinhull, Barnsly uam. Namen wie Gertrude Jekyll, Vita Sackville-West, Margery Fish, Beth Chatto sollen uns ein wenig vertraut werden. Aber auch ihre Lieblingsstauden, die Art, wie sie Pflanzen verwendeten, die Gärten, die sie gestalteten, wollen wir ein wenig näher betrachten.
Und wo steht der englische Hausgarten heute?
Lassen Sie uns auf die Suche gehen.

Gertrude Jekyll 1843 - 1932)
Erfinderin der 'Staudenrabatte', die Malerin als Gärtnerin, mit Pflanzen malen.
Mit Jekyll kommt die Farbe in den Garten. (Kapitel 'Farbe im Garten' in Robinsons Buch 'The English Flower Garden')
Sie studiert Malerei an der Kunstschule in South Kensington.
Zur selben Zeit gründet William Morris eine Firma, deren Ziel es ist, die Herstellung bunter Glasmalereien, handgefertigter Möbel und Interieurs jeglicher Art zu fördern - und das mitten im Höhepunkt der industriellen Expansion. Er gilt als einer der Gründer der 'Arts and Crafts Movement'.
Jekyll lernt Morris kennen und schätzen und verschreibt sich seiner Idee.
Siem studiert die Gemälde von Turner und lässt sich von seinen Farbharmonien inspirieren.
Sie unternimmt Studienreisen im Kreise von Intellektuellen nach Griechenland, Italien, Nordafrika und in die Schweiz. Ihr Blick für traditionelle Wertvorstellungen und Arbeitsweisen wird geschärft. Sie pflegt das Teppichknüpfen und das Stricken, fertigt Metallarbeiten und Schnitzereien an, befasst sich mit Malerei und Fotografie. Ihr Ziel ist das Gesamtwerk.
Um 1875 zieht mit ihrer Mutter nach Munstead House, kauft um 1883 ihr eigenes Anwesen, Munstead Wood, wo sie einen Garten von legendärer Schönheit schafft.
1875 lernt sie William Robinson kennen, der als 'letzte Instanz in Sachen Gartenstil ' gilt.
Robinson: Feind der Verwednung von Exoten und Sommerflor in grellen und prunkvollen Blumenrabatten. Er preist aber den Wildgarten und die winterharte Staudenpflanzung. Für ihn stellt die Natur die Vollkommenheit harmonischer Schönheit dar, nach welcher der bescheidene Gärtner unermüdlich streben sollte. Die Pflanze betrachtet er als Rohmaterial und elementare Daseinsberechtigung der Gärten, während Terrassen, Mauern, Stufen und andere bauliche Hindernisse auf das absolute Minimum beschränkt bleiben sollten, wo sie unbedingt erforderlich waren.
Auf der anderen Seite vertrat Blomfield den formalen Garten, wie er im sog. Eduardischen Garten Niederschlag fand. Für ihn ist der Gärtner lediglich Diener des Architekten. Seine Aufgabe bestehe darin, die widerspenstigen Pflanzen im Zaum zu halten. Er und Robinson gerieten sich in die Wolle, es entstand die Meinung, ein Garten könne nur entweder geplant oder reizvoll sein.
Jekylls Beitrag bestand darin, diese Spaltung von planerischem und gärtnerischem Wirken als verrückten Blödsinn zu enttarnen. Sie macht deutlich, dass Gartengestaltung nicht Suche nach einem theoretischen Stil, losgelöst von prosaischen Tätigkeiten wie Umgraben, Anstäben und Ausbrechen welker Blüten sein kann, sondern Schönheit und Harmonie bedeutet, die es mit aller nur verfügbaren Kraft, Geduld und Geschicklichkeit anzustreben gilt. Sie plädiert für die Zweisprache, die sowohl dem Künstlerischen als auch dem Gärtnerischen gerecht wurde.
(Zusammenarbeit Jekyll- Edwin Lutyens)
Jekyll verwendet auch leuchtende Stauden und Sommerblumen in ihren Anlagen, allerdings mit grossem Bedacht. Sie legt ausführlich dar, wie wertvoll ihre über Wochen leuchtende Farben im Garten sind.
Zu Beginn ihres Buches ? Farbe im Blumengarten' schreibt sie:
Eine Blumenrabatte anzulegen und zu pflegen ist keineswegs eine so leichte Angelegenheit, für die man es gewöhnlich hält.
Ich bin der strikten Meinung, dass der Besitz von zahlreichen Pflanzen, wie gut auch immer die Pflanzen sein mögen und wie unterschiedlich, machen keinen Garten aus; sie sind lediglich eine Sammlung. Wenn man die Pflanzen bekommen hat, ist es wichtig, sie sorgfältig auf ihre Bestimmung hin auszuwählen. Lediglich sie zu besitzen oder sie unkontrolliert in die Gartenräume, ist wie eine Farbschachtel desbesten Farbenhändlers zu besitzen, und weiter, es ist wie einzelne Farbportionen auf der Palette ausgedrück zu haben.

Bedeutend im Wirken von Jekyll war ihre Zusammenarbeit mit dem Architekten (und wohl auch Lebensgefährten) Edwin Lutyens. Zusammen gelang es, eine Einheit von Architektur und Garten zu erreichen. Lutyens ist fasziniert von der klassischen Architektur und ihrer disziplinierten Proportionen. Seine Bauten weisen denn auch zurück in die Vergangenheit, oder positiv ausgedrückt, passen sich der Landschaft und der Umgebung an, haben nichts Modernes an sich. Diese Haltung ist allerdings typisch für den englischen Landhaus-Stil. Für den Laien ist es recht schwierig, festzustellen, ob ein Haus 50 oder 200 Jahre alt ist. Diese Einheitlichkeit im Stil und Charakter der Bauweise geht einher mit der Geisteshaltung und den Ansichten der bürgerlichen oder adeligen Gesellschaft, welche hier über Besitz verfügt. So ist es beispielsweise die Materialverwendung und Baustoffe, bei denen man strikte auf regionale Vorkommen achtet. Das tut dem Landschaftsbild und dem Ensemble der Siedlungseinheiten allerdings gut. Es soll aber nicht unerwähnt bleiben, dass gewisse Einflüsse der modernen Architektur (Frank Lloyd Wright, Behrens, Gropius) trotzdem stattfinden. Sie spiegelt sich in der Abkehr von monumentalen Äusserlichkeit hin zur massiven Schlichtheit.

Die Gärten der G. Jekyll.

Ihre Gärten sind Gesamtkunstwerke, fälschlicherweise oft auf die Staudenrabatte reduziert. Beharrlich und geduldig strebt sie nach der vollkommenen Schönheit im Garten, auch wenn sie weiss, dass diese nicht zu erreichen ist.
Obwohl es sich in der Hauptsauch um Gärten handelt, die nach heutigen Massstäben beachtlich gross waren, verwechselt sie nie Quantität und Qualität und sagte: "Die grösse eines Gartens hat im Grunde nichts mit seiner Schönheit zu tun. Es hängt vielmehr vom Herzen, vom Verstand und dem ernsthaften Bemühen des Besitzers ab, ob sein Garten reizvoll oder langweilig ist."
Jeder ihrer Gärten ist der Einmaligkeit verpflichtet, soll seinen unverwechselbaren Charakter haben. Zunächst ist es das Gelände und seine Teilbereiche, welche als Grundlage dienen und so ist es nicht erstaunlich, dass etliche ihrer Gärten durchaus Wildgartencharakter haben. Sie lehnen sich an an die Idee des romantischen Landschaftsgartens, der auch dem modernen Wild- oder Naturgarten zu Gevatter steht.
Jekyll führt die Wege durch das Gelände, indem sie die Topographie ausnützt, konzentriert erste Höhepunkte in der Nähe des Hauses, lässt einen teilweise durch natürliche Vegetationseinheiten wandern, schafft an geeigneten Punkten Zentren und Höhepunkte, die intensiver ausgestaltet werden und zumeist einem Thema gewidmet sind. Das können speziell gestaltete Blumenrabatten, ein Teich oder eine Pergola sein. Geschickt werden Gehölzpflanzungen eingesetzt, resp. Schneisen in bestehenden Gehölzsaufwuchs geschlagen, so dass Ausblicke, Durchblicke aber auch geheimnisvolle Durchgänge entstehen.

 

Daneben stehen ihre formalen Gärten, oft reine Blumengärten. Hier wird die Architektur für die Bepflanzung gebaut. Lutyens und Jekyll gelten eigentlich als Vermittler zwischen formalem und natürlichem Garten. Die Problematik des Begriffs 'formal' ist gelöst, sobald amn die Gärten als Ganzes betrachtet - eine Fülle zusammenhängender Bereich, die zwar in sich geometrisch, aber bewusst asymmetrisch angeordnet sind, indem sie sich organisch aus dem Gelände ergeben und, an regionalen Traditionen orientiert, in der Gesamt wirkung zeizvoll von jeder Regelmässigkeit abweichen. Waren solche Gärten nun formal oder naturalistisch? Die Lösung dieser Kontroversen liegt überraschenderweise vielleicht bei Robinson, wenn er verkündet, dass der Terminus 'formal' nur zutreffe, wenn die Pflanzen im Garten in strengen geometrischen Mustern angeordnet sind, wie in Teppichbeeten oder Rabatten mit ständig wechselnden Zierpflanzen.
Die von Jekyll entworfenen Gärten und in weitaus grösserem Masse die Gärten, die sie für Architekten bepflanzte, enthielten stets geometrische Elemente, bestanden sogar häufig aus Teilbereicheen in Form von Quadraten, Rechtecken, Achtecken und Kreisen, aber es gab nirgens jene Massen von Sommerblumen, die sich zu starren Mustern formierten. Zwar verwendete Jekyll Sommerblumen. Sie verwendet sie aber ähnlich wie Stauden und bildet mit ihren kräftigen Farben gezielt Akzente.

Die Pflanzenverwendung in der Staudenrabatte
Die Ganzheit als Ergebnis des Zusammenwirkens zweier Extreme: Gegensätze, Kontrast
Vor allem Formen sind es, die sich kontrastieren: hohe Blütenähren von Gladiolen zu duftenden Wolken von Gypsophila, weisse Lilien ind roten Rabatten, um die Rottöne kräftg, aber nicht düster erscheinen zu lassen
Licht und Schatten: Die Pergola
Hoch und Nieder

Die harmonischen Farbkombinationen

Sie sind die Höhepunkte in Jekylls Schaffen . die in zarten gebrochenen Tönen , in Rosa, Weiss, Lavendelblau, Lila und Grau gehaltenen Rabatten bieten ein aussergewöhnliches Bild von Harmonie
Das Gestaltungsprinzip: die Drifts
Diese stromlinienförmigen Jekyll-Driften sind vor allem in ihren Blumenrabatten zu erkennen, aber auch in ihren Waldbildern, wenn sie Gruppen von Stechplamen, Eichen Weissdorn ua. heimische Gehölze miteinander verwebt sowie im Zusammenspiel von bepflanzten und freien Flächen in ihren Naturgärten.

Bevorzugte Pflanzen:

graues und silbernes Laub: Arabis, Cerastium, Stachys, Cineraria, Santoline, Nepeta
Dunkles Laub: Prunus lusitanica,Viburnum tinus, Mahonia, Haselwurz, Hebe,
der immergrüne Hintergrund
Rosen und Päonien
Farne
Kräftige Akzente: Canna, Bergenia, Euphorbia, Yucca
Blüten und Laub in zarten Farben: Cistus, Abutilon, Wisteria sin. Alba-Rosen, Clematis recta, Geranium x magn. Aster divaricatus, Eryngium,
Weisse Blüten und Blätter: (Lichteffekte)
Leuchtende Farben: Delphinium div., Clematis x jackm., Anchusa, Iris sib., Salvia patens, Ceratostigma,
Kerria, Coreopsis, Achillea filip.
goldlaubige: Ligustrum 'Aureum',
Flammende Bilder: Papaver, Paeonia, Hemerocallis, Monarda Oenothera, Helenium


Sissinghurst: Vita Sackville-West/Harold Nicolsen
1930; der Kauf, der Aufbau
Schriftstellerin, Poetin, Biografin und Gärtnerin / Architekt, Schriftsteller
Das Tudor und Elisabethianische Haus mit Turm und Wirtschaftsgebäuden

Das Gestaltungsprinzip
verschiedene Gartenteile
Grundlage: das Gebäude mit seinen Anexbauten bildet beriets verschiedene Höfe und Bereiche. z.B. der grosse Hof. So beschreibt Sackville-West diese Zusammenarbeit wie folgt:
Die Wände sind nicht alle im rechten Winkel, der Hof ist nicht rechteckig, eher sargähnlich, der Turm ist nicht gegenüber dem Haupteingang, der Weg zum Teich, mit seinen umfassenden Mauern, läuft so quer zur ganzen Anlage, dass die Statue, die wir an dessen Ende auf der anderen Seite des Teichs aufstellten, gleichzeitig gegenüber des Turmes zu liegen kam. All dies war so disharmonisch, und da kamen weitere kleinere Krumm- und Schiefheiten dazu, dass man meinen könnte, dieses oder jenes sollte verborgen bleiben. Ich glaube nicht, dass du dies für den Grundriss annehmen kannst, obwohl, wenn du auf den Turm steigst und dir das ganze anschaust, du dem geplagten Designer einige Sympathien abgewinnen kannst, mit seinen grossen Papierbogen, seinen Messbändern und Radiergummis, seine Finger durch das zerzauste Haar streichend, versuchend, dieses Puzzle zusammenzubringen.
Ich könnte das nie selber schaffen. Glücklicherweise habe ich durch Heirat den idealen Mitarbeiter aquiriert.Harold Nicolson ist wohl in seinem früheren Leben ein Gartenarchitekt gewesen. Er hat einen natürlichen Sinn für die Symmetrie und eine untrügliche Sicherheit für zwingende Brennpunkte oder Ausblicke, eine Fähigkeit, die mir völlig abgeht. Nach Wochen harter Planungsarbeiten kommt er mitunter zu mir, um mir vorwurfsvoll mitzuteilen, dass ich inmitten seines geplanten Weges einen Strauch gesetzt hätte.
In der Regel stimmten wir aber in den Grundzügen der Gestaltung überein: eine Kombination von langen, axialen Wegen, von Nord nach Süd, Ost und West verlaufend, abgeschlossen gewöhnlich mit Endpunkten, einer Statue, einem Laubengang oder einem Paar Pappeln, die hinführen in die Intimität eines kleinen, geometrischen Gartens, eher einem Raum eines grossen Hauses, der sich nach einem langen Korridor eröffnet. Dort könnte die strikteste planerische Form herrschen mit einem Maximum an Zufälligkeit (Formlosigkeit) der Pflanzung. Dies ist es was wir liebten und es ist das, so hoffe ich, wir erreicht haben.

Man begann mit zwei Grundvoraussetzungen, denen man später eine dritte hinzufügte:
1. Ein romantischer Platz, den man romatisch behandelte. Sehr englisch, sehr Kentisch
und das Fremde, ein normannisches Herren-Haus
2. Der Garten mit all seinen Räumen und Unterräumen muss ein Garten der
verschiedenen Jahreszeiten rund um das Jahr werden. werden
3. Dann begannen sie mit einer dritten Idee zu liebäugeln: einige der definierten Gärten
sollten sich einer dominierenden Farbe unterordnen. So ergaben sich orange und gelb
für den Cottage-Garden; weiss für den Garten beim Pfarrhaus, dunkelblau und purpurn
längs der Nordseite des Grossen Hofes.

Die Staudenverwendung in Sissinghurst
Die Farbe als gestaltendes Element
Monochrome Farbgestaltung z.T. in der Tradition von Jekyll
Das Zusammenspiel von Gehölzen (Rosen) und Stauden
Die Exaktheit und Präzision in der Verwendung. Nichts ist dem Zufall überlassen, um es zufällig erscheinen zu lassen.

Penelope Hobhouse und Tintinhull

Nach den Vorbildern der Gartens als Wohnraum: ein Netzwerk; der Garten im Garten.
In den einzelnen Kompartimenten entstanden vom urprünglichen Besitzer, Phyllis Reiss selbst entworfene Blumenbeetee und Rabatten mit genau festgelegten Farbmustern. Die grosse Rabatte erinnert zwar an Hidcote, ist aber in den Farben Rot, Gelb und Blau gehalten, in dem Freensham-Rosen, gelbe Königskerzen und dunkelblauer Rittersporn gruppiert waren. Heute stehen hier rote, gelbe und cremefarbige Blumen, eine 'warme' Rabatte.

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